Mittwoch, 21. November 2012

Frenetischer Applaus für den stotternden König

Die deutsche Erstaufführung am St. Pauli Theater war dank des tollen Ensembles und der detailfreudigen Inszenierung ein voller Erfolg.

© Jim Rakete

 "The King’s Speech", jener Film, in dem der stotternde englische König George VI. zum Publikumsliebling wurde und damit gleich noch ein paar Oscars abräumte, funktioniert auch auf der Bühne ganz hervorragend. Kein Wunder, schließlich war das Stück von David Seidler zuerst da. Nun erlebte es seine deutsche Erstaufführung am St. Pauli Theater und wurde am Ende frenetisch beklatscht.

Anlass zur Freude gab’s genug: Marcus Bluhm verfügt in der Rolle des Königs nicht nur über genügend Charisma und Ausstrahlung eines Monarchen. Er stottert auch so gekonnt, mit langen Pausen vor einzelnen Wörtern, dass man annehmen könnte, er hätte noch nie anders gesprochen. Eine tolle Leistung. Die entbehrungsreiche Jugend des späteren Königs wider Willen, seine ungeliebte Stellung in der Familie und seine zarte, langsam wachsende Freundschaft zu seinem Sprachlehrer Lionel Logue, den Boris Aljinovic als fröhlichen, ebenfalls Enttäuschungs-Erfahrenen Charmeur spielt, machen die packende Geschichte des Dramas aus.

Regisseur Michael Bogdanov hat sie "sehr englisch" in Szene gesetzt. Geholfen haben ihm dabei nicht nur ein tolles Ensemble (darunter Susanne Schäfer als liebende Ehefrau des Königs), die sorgsam inszenierten englischen Sitten, der Swing der 30er Jahre, sondern ein kongeniales Bühnenbild von Sean Crowley, das mit Projektionen auf Rollvorhänge aus dem kleinen St. Pauli Theater eine riesige Westminster Abbey oder den Buckingham Palast zu zaubern versteht. Ein schöner, rührender und ganz und gar gelungener Abend.

Armgard Seegers
Hamburger Abendblatt, 21.11.2012